Stellen Sie sich vor, Sie leben mit einer Krankheit, von der noch nie jemand gehört hat. Eine Erkrankung, die selbst Ärzte nur mit Mühe diagnostizieren können, weil die meisten Mediziner sie gar nicht oder nur unzureichend kennen, und für die es keine Heilung gibt. Dies ist die Realität für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, die an seltenen Krankheiten leiden.
Was ist eine seltene Erkrankung?
Eine seltene Krankheit betrifft nur wenige Menschen und geht oft mit physischen oder psychischen Anomalien einher. In Europa gilt der Usus einer seltenen Krankheit dann als erfüllt, wenn höchstens eine von 2000 Personen betroffen ist.
Insgesamt gibt es über 7000 seltene Krankheiten. Einige davon sind so selten, dass sie weltweit nur 150 Menschen betreffen – das Tatton-Brown-Rahman-Syndrom (TBRS) beispielsweise. Sie können genetisch bedingt, ansteckend oder erworben sein, von leicht bis lebensbedrohlich reichen und sie können jeden treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit.
Das Leben mit einer seltenen Krankheit ist oft ein unsichtbarer Kampf. Viele Menschen mit seltenen Krankheiten sehen äußerlich völlig gesund aus, während sie innerlich unter chronischen Schmerzen, Müdigkeit und einer Vielzahl anderer Symptome leiden.
Die Suche nach Antworten ist bei seltenen Erkrankungen oft mühsam und langwierig. Bevor eine zutreffende Diagnose gestellt werden kann, kämpfen Betroffene oft mit Fehldiagnosen: Unspezifische Symptome und mangelndes Wissen der Ärzte führen dazu, dass die tatsächliche Erkrankung unerkannt bleibt.
Aufgrund ihrer Seltenheit sind diese Krankheiten nur unzureichend erforscht, was begrenzte Behandlungsmöglichkeiten zur Folge hat und bei Betroffenen, Angehörigen und Ärzten oft zu Ratlosigkeit führt. Für die Patienten ist es oft schwierig, eine angemessene Versorgung und Unterstützung zu erhalten, und sie werden von der Gesellschaft diskriminiert und stigmatisiert.
Wie viele Menschen in Deutschland haben eine seltene Erkrankung?
In Deutschland gibt es aufgrund der großen Anzahl an seltenen Erkrankungen rund 4 Millionen Betroffene. Hierunter fallen jedoch noch nicht die Menschen, die zwar Symptome aufweisen, aber noch keine Diagnose erhalten haben.
Welche seltenen Krankheiten gibt es?
Weltweit sind über 7000 seltene Erkrankungen bekannt, die viele Menschen vor große Herausforderungen stellen. Ältere Menschen sind dabei besonders gefährdet, da altersbedingte Veränderungen im Körper die Symptome verschleiern oder verstärken können. Viele dieser Erkrankungen sind chronisch und beeinträchtigen nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch das seelische Wohlbefinden der Betroffenen.
Osteogenesis imperfecta (Glasknochen)
Menschen mit Osteogenesis imperfecta, der sogenannten “Glasknochen”-Krankheit, haben ein sehr fragiles Skelett. Dadurch brechen Knochen sehr leicht. Die Krankheit führt zu Fehlstellungen in der Körperhaltung, die durch das Wachstum oder Knochenbrüche entstehen, sowie Muskelschwäche und kann mit Schwerhörigkeit oder Kurzsichtigkeit einhergehen.
Die Krankheit wird oft spät erkannt und kann mit “Vitamin-D-Mangel” fehldiagnostiziert werden. Angehörige stehen bei der Krankheit oftmals vor dem Vorwurf, ihre betroffenen Kinder oder Partner zu misshandeln.
Amyothrophe Lateralsklerose (ALS)
Die mit der Ice Bucket Challenge bekanntgewordene Krankheit ALS ist eine Erkrankung, die sich meist zunächst in Armen und Beinen zeigt. Einseitiges Stolpern oder Muskelkrämpfe sind oft erste Symptome, rund 1/4 bemerkt Probleme beim Sprechen oder Schlucken.
Die Prävalenz liegt bei 1:20.000. Während die Krankheit vermehrt bei Männern und meist im Alter von mindestens 60 Jahren auftritt, gibt es auch frühe Ausnahmen.
Die wohl berühmteste Person mit ALS war Stephen Hawking. Er schaffte es 55 Jahre mit der Diagnose zu leben – eine Ausnahme, denn die meisten Erkrankten leben nach ihrer Diagnose nur noch 3-5 Jahre mit der schnell fortschreitenden Muskellähmung.
Autoimmun-Hepatitis (AIH)
Die Autoimmun-Hepatitis ist eine chronisch-entzündliche Lebererkrankung, die meist Frauen betrifft. Von der seltenen Krankheit betroffen sind nur etwa 0,5-1 von 100.000 Menschen. Die Ursache der Krankheit ist unbekannt und nicht immer sind Autoantikörper vorhanden. Symptome können Müdigkeit, Schwindel, Gelbsucht und ein verstärkter Geruchssinn mit Übelkeit bei bestimmten Gerüchen sein, aber auch weit diffusere wie Regenbogenhautentzündung des Auges, rote Flecken auf den Handinnenflächen oder Gelenk- und Muskelschmerzen. Unbehandelt führt die Krankheit zu einer Leberzirrhose.
Seltene neurologische Erkrankungen wie das zu Beginn erwähnte Tatton-Brown-Rahman-Syndrom (TBRS) benötigen ob ihrer Seltenheit besondere Zuwendung der Forschung. Oft wissen Familien und Betroffene nicht einmal, wo genau sie Informationen zu den Erkrankungen finden.
Wo bekomme ich Infos über seltene Erkrankungen?
Das Portal für seltene Erkrankungen informiert über die unterschiedlichen Krankheiten und gibt Hinweise für Behandlungsmethoden. Aber Achtung: Je nach aufgeführter Erkrankung sind die Artikel bereits längere Zeit online – es kann sich also in Forschung und Behandlung bereits etwas getan haben.
Viele der seltenen Krankheiten sind dennoch weitgehend unerforscht. Selbsthilfegruppen können hier zum Ort des Austauschs werden, der Betroffenen die Möglichkeit bildet, sich über ihre Symptome und Behandlungsmethoden zu unterhalten. Hierdurch kann auch die Forschung voran getrieben werden – ein für einige Erkrankte lebensnotwendiger Faktor bei fortschreitendem Krankheitsverlauf.
Bereits das Wissen über seltene Erkrankungen und deren Symptome kann für Betroffene ein Segen sein. Rücksichtnahme und Verständnis werden Menschen oft erst entgegengebracht, wenn man ihnen die Krankheit ansieht. Bei vielen der seltenen Erkrankungen ist dies aber nicht der Fall.
Indem wir das Bewusstsein für die unterschiedlichen und oft unscheinbaren aber Leidensdruck hervorrufenden Symptome schärfen, Organisationen unterstützen, die sich mit seltenen Krankheiten befassen, und Betroffenen zuhören, können wir uns für eine gerechtere und solidarischere Welt für Menschen mit seltenen Krankheiten einsetzen.